In Heather, einem kleinen Ort in Leicestershire, fand dieses Jahr ein internationales Zeltlager mit über 5000 Pfadfinderinnen und Pfadfindern statt. Dabei waren auch wir, elf Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren sowie zwei Leiter aus Neckarelz-Diedesheim und Umgebung. Mit zwei VW Bussen ging die Fahrt zum Zeltlager dank Schulbefreiungen bereits am letzten Schultag los. Das war auch nötig, denn bis zum Erreichen des Lagerplatzes lagen mindestens 12 Stunden Autofahrt plus eine Fährüberfahrt vor uns. Nach einem ganzen Tag Fahrt hatte keiner mehr großen Lust, die Zelte aufzuschlagen und so verbrachten wir die erste Nacht in den Autos.
Samstags erreichten wir den Lagerplatz in der Nähe von Nottingham früher als geplant und konnten im strömenden Regen unsere Zelte aufbauen. Wir hatten auch keine andere Begrüßung in England erwartet als Regen und waren entsprechend vorbereitet. Die Zelte standen dadurch recht schnell und wir konnten uns zum ersten Mal auf dem Lager selbst umschauen. Mittags gab es Vesper, später sollten wir noch zu schätzen lernen, wie gut echtes Brot schmeckt, denn bereits am Samstagabend waren zwei heimische Besenbrote restlos vernichtet worden und drei Wochen englisches „Brot“ waren in Aussicht.
Die folgenden Tage waren gefüllt von spielerischen Programmangeboten, das eher für Kinder als für Jugendliche gedacht war, jedoch knüpften wir schnell Kontakte mir Pfadfindern aus aller Welt: mit Kanadiern, Isländern, Australiern, … und erweiterten somit das offizielle Programm. Im internationalen Zelt konnte man allerhand über das Leben und Pfadfinden in anderen Ländern der Erde lernen, in den Unterlagerzelten gab es abends kleine Partys und im Hauptzelt wurde jeden Abend eine Show oder einen Liveauftritt geboten. Begleitet wurde beinahe jeder Tag von einem oder mehreren Regenschauern, die einzige Ausnahme war der dritte Tag. Dieser Tag blieb drei Wochen lang der einzige Tag, an dem wir Sonnencreme brauchten. Da das Wetter sich nicht verbesserte, musste das Lager am fünften Tag abgebrochen werden, da die Schlammpfützen zu tief waren und auch mit Stroh und Hackschnitzeln keine Abhilfe geschaffen werden konnte. Zudem waren einige Zelte bereits weggeschwemmt worden. Um einige Zeltplätze wurden Gräben mit Minibaggern ausgehoben und auch der Parkplatz wurde mit Radladern und Baggern wieder für die Abfahrt präpariert. Zwischenzeitlich kamen nur Traktoren durch.
Das Team, das sich um die internationalen Gruppen kümmerte, hatte binnen weniger Stunden eine Ersatzunterkunft, eine Hütte im Norden von Derby, für uns besorgt, die wir die restlichen Tage des Lagers nutzen konnten. Die Hütte gehört einer englischen Pfadfindergruppe, die uns dort mit heißem Tee und Keksen empfing. In den kommenden Tagen wuschen wir alles, was schlammig war und trockneten die Zelte, sodass wir am Sonntag, dem zehnten Tag unserer Englandreise, wieder unseren normalen Plänen nachgehen konnten. Für diesen Tag stand der Peak District, ein wunderschöner Nationalpark in der Mitte Englands, auf dem Programm. Und auch unsere erste Stadtbesichtigung hatten wir für die kommenden Tage geplant.
In Manchester stiegen wir voll Euphorie und etwas nach Zeltlager duftend, aus der Straßenbahn aus, trotz täglichem Duschen scheint dieser Geruch unterwegs nicht ganz wegwaschbar zu sein. Als erste Sehenswürdigkeit steuerten wir uns das Rathaus von Manchester an, ein sehr geschichtsträchtiges Gebäude. Dort angekommen wurde uns gesagt, dass wir doch 2024 wiederkommen sollen, denn bis dahin wird es renoviert.
Liverpool war nach Manchester die zweite Stadt, die wir unsicher machten, oder zumindest dachten wir das. Ganz brav ging es morgens in das Beatles Museum am Hafen und später dann in Kleingruppen durch die Stadt. Sowohl in Liverpool als auch in Manchester standen keine Fußballstadien auf dem Programm, was unsere eingefleischten Fußballer etwas enttäuschte. London mit gleich drei Fußballstadien sollte aber noch kommen. Spoiler, auch dort wurden die Stadien nur von außen angeschaut.
Die Abreise vom Dunham Scoutpark nahe Manchester verlief ohne weitere Probleme und recht zügig, bereits am letzten Abend bauten wir die Jurte ab und schliefen unter einem Flyingtent. So ging es morgens um 10 Uhr in Richtung Cardiff. Ein Zwischenstopp im Cadburry Schokoladenmuseum oder im Sciencemuseum war geplant, konnte wegen Staus aber leider nicht realisiert werden. In Cardiff angekommen fuhren wir 15 Minuten durch das Hinterland auf Straßen, bei denen man zum Teil den Spiegel einklappen sollte und begegneten dabei immer wieder Traktoren mit großen Anhängern, die in die entgegengesetzte Richtung unterwegs waren. Die Traktorfahrer hatten keine Probleme, ihre Gespanne auch über mehrere hundert Meter perfekt rückwärts in eine Parkbucht zu schieben, um uns passieren zu lassen. Beeindruckend für unsere Fahrer!
Cardiff ist eine schöne Stadt mit einer sehr beeindruckenden Burg/Schloss, dem Cardiff Castle. Erbaut wurde es als Römerkastell, darauf entstand im Mittelalter eine Burg, die bis in die Neuzeit dem Verfall überlassen wurde. Erst vor 200 Jahren wurde angefangen, das Castle zu restaurieren und zu rekonstruieren. Das Ergebnis ist ein Bauwerk mit Elementen in jedem Baustil, römisch, gotisch, … . Nach dem Besuch im Cardiff Castle verbrachten wir den Nachmittag in Kleingruppen in der Stadt und trafen uns abends wieder, um gemeinsam zum Pier zu gehen. Dort fand unsere Versprechensvorbereitung statt.
In Cardiff verbrachten wir nur zwei Nächte, dann ging es auch schon in den Süden Englands auf den Braggers Wood Zeltplatz. Das nächste große Highlight unserer Reise war Brownsea Island. Für uns Pfadfinder ist Brownsea Island ein sehr bedeutender Platz, dort hat Robert Baden Powell, Lord of Gilwell im Jahr 1907 das erste Zeltlager für Jungen aus verschiedenen sozialen Verhältnissen veranstaltet. 10 Jungs aus sehr guten und 10 Jungs aus ärmlichen Verhältnissen. Die Jugendlichen lebten eine Woche lang komplett gleich zusammen, schliefen in gleichen Zelten und teilten sich die täglichen Aufgaben unter einander. Aus diesem einen Zeltlager haben sich die Pfadfinder, die größte Jugendbewegung der Welt entwickelt, eine Organisation der derzeit über 50 Millionen Mitglieder angehören.
Am ersten Tag kamen wir leider nicht früh genug los und verpassten die erste Fähre nach Brownsea Island. Dadurch hatten wir aber Gelegenheit, uns in Lymington, einer Partnerstadt von Mosbach, umzusehen. Zufällig fand an diesem Tag auch ein Seafoodfestival in Lymington statt, wir saßen eine Zeit lang am Hafen und machten eine kleine Stadttour. Auch in Lymington haben wir weiter über unser Versprechen geredet, welches wir am kommenden Tag auf Brownsea Island ablegen wollten.
Der zweite Tag im Süden war auch der zweite Versuch nach Brownsea Island zu kommen, also gab es heute schon um 07:00 Uhr Frühstück, damit wir pünktlich um 09:00 Uhr am Parkplatz vor der Fähre stehen konnten. Heute waren wir früh genug da und mussten nur ein paar Minuten auf die erste Fähre des Tages warten. Auf der Insel angekommen war unser erstes Ziel der „Scout Stone“. Wir liefen zielstrebig einmal quer über die Insel und kamen eine gute halbe Stunde später an unserem Ziel an, so hatten wir genug Zeit, als erste und alleine am Stein zu sein. Wir konnten in aller Ruhe unsere Versprechen ablegen, gerade rechtzeitig, denn es fing wieder einmal an zu regnen. Nachdem wir alle Einzel- und Gruppenfotos gemacht hatten, besuchten wir den Scoutshop in der Nähe und hinterließen unseren Lageraufnäher dort im Schaukasten.
Glücklich, dass wir unser Versprechen nun abgelegt hatten, gingen wir den restlichen Tag sehr gelassen und ruhig an, aßen unser BWK am Zeltplatz auf Brownsea Island und bekamen währenddessen Besuch von Pfauen, liefen am Meer entlang und manch einer ging baden. Auf dem Rundweg zurück zur Fähre lagen weitere interessante Orte, wie der Zeltplatz des ersten Pfadfinderlagers, markiert durch einen Flaggenmast, die Ruine einer alten Siedlung, ein Naturspielplatz aus Holz, die und vieles mehr.
Die letzten Tage unserer Englandtour verbrachten wir auf einem Zeltplatz in London, anfangs mit viel Kulturprogramm, wie dem Tower of London Eine Odyssee durchs Regierungsviertel, St. Pauls Cathedral, … . Gegen Ende konnten alle Teilnehmer in Kleingruppen machen, auf was sie Lust hatten.
Die drei Wochen England gingen schneller rum als wir dachten, gefühlt waren wir gerade angekommen, tatsächlich packten wir schon wieder unsere Zelte zum letzten Mal zusammen und machten uns auf die Heimfahrt. Die letzte Nacht war stürmisch und regnerisch, welch gelungene Verabschiedung Englands. Morgens ging es um 9 Uhr auf die Fähre und dann hieß es fahren, fahren, fahren. Gegen 20 Uhr kamen wir in Neckarelz an, luden die Autos aus und begrüßten unsere Eltern. Die nächsten Tage verbrachten wir mit Aufräumen und Zelte putzen.
Damit wir das Manchester Rathaus von unserer Bucketlist streichen können, ist die nächste Englandreise schon in Planung. 2024 geht’s dann endlich los und die Spannung steigt täglich!
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